Ein Abgesang auf Google Plus, andere gescheiterte Facebook-Alternativen und wohin die Social Media-Reise 2019 gehen wird

Wenn ein Totgesagter stirbt schlägt das bekanntlich nicht all zu hohe Wellen. Und so hielten sich die öffentlichen Feedback-Wogen bezüglich der Ankündigung seiner Schöpfer (Google bzw. Alphabet) das millionenschwere Projekt zu Grabe zu tragen, Anfang Oktober in Grenzen.

Nach einer eklatanten „Datenpanne“, bei welcher über eine halbe Million private Nutzerdaten nach außen drangen, werden jetzt bis Ende des Jahres alle Stecker nach außen gezogen (und auch nur nach außen, denn angeblich bleibt es Google-intern noch in Benutzung – viel Spaß damit).

Man akzeptiert die bittere Realität, dass man gescheitert ist. Zumindest hier hinken Konkurrenten, bzw. Mitdahinsiechende wie „MySpace“ & Co. weit hinterher.

Google+ war das ebenso hässliche, wie talentlose Kind eines Kaisers in früheren Zeiten. Jeder musste kurz Tribut zollen, ehe man es jedoch schon wieder vergessen hatte.

 

Gefangen in der Alternativlosigkeit?!

Aber Google+ hinterlässt in der bereits wenig heterogenen Social Media-Welt stellvertretend eine Lücke. Keine emotionale in den kollektiven Web-Herzen, aber eine im Hemd der Hoffnung, dass es ein Leben nach Facebook geben könnte. Es gab viele Anläufe eine vernünftige Alternative zum selbstproklamierten Social Media-Herrscher zu schaffen. Viele davon waren bereits durch Geburtsfehler zum Scheitern verurteilt – manche hatten (oder haben?) jedoch durchaus Potenzial („Diaspora„, „Ello„, etc.). Oft fehlt es am Ende auch einfach am Marketing, an Investoren oder scheitert an der Bequemlichkeit der Facebook-User.

Doch es gibt Hoffnung! Im Falle von „MySpace“ hatte man gesehen, wie auch große Portale durch massive Fehlentscheidungen bspw. im Upgrade/Redesign-Prozess innerhalb weniger Wochen zu Staub zerfallen können. Bei „MySpace“ hatten sich Geeks und Agenturen darauf spezialisiert, Seiten umständlich mit einem individuellen Look zu versehen. Das war mehr Lücke als Feature, wurde aber geduldet – bis zum technischen Relaunch der Plattform, in dessen Zug alle mühseligen Seitenaufbauten im Nirvana verschwanden. Als dieses Hauptkriterium viel, verschwanden die User scharenweise und liesen sich auch durch Hollywood-Stars nicht zurückholen, denn sie waren von Herr Zuckerberg natürlich mit offenen Armen empfangen worden.

Ein Blick in die Karten für 2019 – und was uns noch bevorsteht

Eines darf man bei diesem ach so sozialen Wettrennen jedoch nicht vergessen: Facebook ist inzwischen sehr breit aufgestellt, hat man sich nämlich mit “Instagram“ und „WhatsApp“ zwei mächtige Partner angelacht – also aufgekauft. Gerade “Instagram“ war gerade dabei für die Teenie-Benutzerschicht den Rang abzulaufen. Schwupp, Konkurrenz über Bord. „WhatsApp“  hatte den Facebook-Messenger jeher alt aussehen lassen und wurde folgerichtig mit einverleibt. Warum schreit hier eigentlich keiner nach Marktregulierung? Monopolisierender kann es schließlich kaum zugehen.

Aktuell verdrahten Zuckerbergs Techniker die Plattformen intern, was bei „Instagram“ bereits weit fortgeschritten ist. WhatsApp soll in Kürze durch Werbeeinblendungen Geld einbringen. Eine Gefahr für Privatleute – und somit auch für alle, in deren Adressbüchern Userdaten verknüpft sind. Sobald Facebook auch seinen Up-Link zum Instagram- oder WhatsApp-Konto des Benutzers hat, brechen für den interdisziplinären Datentausch zugunsten werbetreibender Unternehmen (plus Geheimdienste natürlich) und zum Leidwesen der Privatsphäre die letzten Dämme.

Na DSGVO, was hat du dazu zu sagen?

Und sonst?

Twitter“ fristet in Europa immer noch ein Nischendasein, richtet es sich doch auch eher an Pressemitteilungen. „Snapchat“ ist eigentlich auf dem selben traurigen Weg wie Google+. Der zwischenzeitliche Hype um die App „Vero“ ist bereits auch wieder abgeflacht und hat sich wohl nicht bewahrheitet. Vielleicht muss es auch gar nicht so amerikanisiert zugehen. Russland hat sein „VK“ und China hat sein streng überwachtes „RenRen“ etabliert. Und wir Deutschen? Wir trauern wohl scheinbar in Starre noch „StudiVZ“ nach (echt jetzt?).

Zukünftig werden generell Fotoportale weiter Fahrt aufnehmen. Besonders “Pinterest“ entwickelt sich hier vielversprechend. Insgesamt geht es hier nämlich einfach freundlicher zu – wer mag sich schon dauernd hasserfüllte Kommentare gelangweilter Pubertierender inklusive kaum vorhandener Grammatik oder Wahrheitsgehalt antun, wenn er stattdessen einfach schöne Fotos durchblättern kann? Darin kann man durchaus eine positive Entwicklung sehen.

Rebellion!

Am Ende bleibt also die Frage, wie lange sich die gemütlich eingesessenen Benutzer die Bevormundung gefallen lassen. Aktiv viel Privates posten tun ja sowieso nur noch die wenigsten in Facebook. Wo steckt dann der Sinn von Otto-Normalo, dabei zu sein oder das „Social“ in Network?

Und wo bleibt verdammt noch mal die rebellische Jugend, wenn man sie braucht? Ach genau, die waren ja bei “Instagram“.

Die meisten bekommen ja auch nichts von solchen multinationalen Allmachtsfantasien mit. Da müssen schon die Techies ran, um auch nach all den vergangenen Skandalen das Bewusstsein der Öffentlichkeit auf einigermaßen sensiblem Level zu halten.

Und warum tun sich nicht einfach mal ein Dutzend Top-Entwickler zusammen, um bspw. auf Peer-2-Peer- & Blockchain-Basis inklusive Ende-zu-Ende-Verschlüsselung ein echtes Social Network aufzubauen? Ach ja, dafür fehlen wieder erstmal Investoren, richtig? Pfeift drauf, macht es trotzdem! Denn für gute Werkzeuge kann man auch irgendwann Geld verlangen – und sei es über den Umweg von gezielten, interessanten Werbeeinblendungen, welche der User aber aktiv durch Listenauswahl beeinflussen kann. Wer das nicht möchte, bekommt ein Abo-Modell mit geringer Monatspauschale. Alle wären am Ende glücklich.

Aber vielleicht braucht es auch generell keine großen überfrachteten Netzwerke zum Austausch mehr. Denn ein Trend geht zurück zum Kleinen. Nicht jeder will 2000 Facebook-Follower unterhalten, sondern im Normalfall wären es Gruppen, bzw. (- Achtung Google+ Tributzoll -) „Hangouts“ mit Freunden aus der echten Umgebung oder Clique. In diese Kerbe schlägt übrigens auch das noch schwach bevölkerte deutsche Netzwerk „Nebenan“. So wird manch eine/r vielleicht nicht durch #NoShirt Fotos „berühmt“, aber es ginge ein ganzes Stück echt-sozialer zu – also wieder mehr #Reallife und so.

Veröffentlicht: 19.10.2018
Autor: A. Fachtan – Unser Experte für Web.Code.Style