Die große Jammerei über den Mitarbeitermangel – Teil 1

Unser Teil 1 zum Thema „Mitarbeitermangel“ – geschrieben für die das Fachmagazin „FH Fleischer-Handwerk“

Wer jammert, wird ignoriert …

In Kooperation mit dem Fachmagazin „FH Fleischer-Handwerk“, unter der redaktionellen Leitung von Marco Theimer, verfassen wir regelmäßig Artikel zu verschiedenen Thematiken aus den Bereichen Marketing, Social Media und PR. In der Ausgabe 5/2018 veröffentlichten wir unter anderem einen Kommentar über den hiesigen Mitarbeitermangel und die damit häufig verbundene Ratlosigkeit. Der polarisierende Text löste teils wütende, teils zustimmende Reaktionen aus. Ein Beitrag, der zum Nachdenken anregen soll – und deshalb auch in unserem Blog Erwähnung finden sollte …

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„Uns laufen die Mitarbeiter davon!“ „Wir finden einfach keinen Nachwuchs!“ „Die Angestellten halten echt nix mehr aus heutzutage!“ „Schuld ist nur der Fachkräftemangel!“ – Alter! Hast Du dir das Jammern selbst beigebracht, oder warst du an der Akademimimiiii? Raus aus der Opferhaltung und endlich mal die Ärmel hochgekrempelt! Das übliche Blabla von früher reicht eben nicht mehr! Es hat einen Grund, warum niemand Euren „Hilferuf“ hört! Die Wahrheit? Ihr seid einfach zu langweilig. Zu mainstream. Zu einfallslos und dem Zeitgeist hinterher. 

Na, schon wütend geworden?

Gut so! Denn ein bisschen Dampf sorgt für den nötigen Kampfgeist. Wenn Ihr in der Google-Bildersuche das Stichwort „Stellenanzeigen“ eingebt, werden Euch jede Menge solcher „Hilferufe“ ausgespuckt. Denn überall brennt’s. Was dabei deutlich wird: sämtliche Anzeigen besitzen einen einheitlichen Aufbau. Selten, dass da mal was im Meer der Mitarbeitersuche wirklich ins Auge sticht. Und wenn doch, ist der Inhalt trotzdem oft derselbe. Belastbar, teamfähig und flexibel sollen sie sein, die neuen Kollegen. Am besten auch wahre Organisationstalente, selbstständig und eigenmotiviert – und, achja: angepasst (aber Achtung, das steht natürlich nicht so offensichtlich in den Anforderungen)! Nur nicht auffallen und immer brav erledigen, was aufgetragen wird. Meinungslose Arbeitstiere, die nichts hinterfragen. Komisch. Denn passt das zu den zuvor erwähnten Standard-Anforderungen? Ist das nicht ein Paradoxon, wenn ich selbstständige Denke erwarte, im Betrieb dann aber eigentlich Duckmäusertum pflege? Charakterköpfen und Querdenkern wird – fatalerweise – häufig nahegelegt zu gehen. Dabei sind es doch genau die, die die Fehlerquellen im Unternehmen aufspüren und laut ansprechen! Aber zurück zum Eigentlichen: 

Der Fachkräftemangel ist eine vorgeschobene Entschuldigung dafür, nichts verändern zu müssen! 

Sicher sind die Bedingungen heutzutage andere. Und sicher gibt es immer weniger Menschen, die eine Ausbildung einem Studium vorziehen. Da sollte man aber anstatt rumzuheulen einfach mal reflektieren und sich überlegen: WARUM ist das so? Und noch viel wichtiger: WIE kann ich das ändern? Ein Lösungsansatz wäre: Mit der Zeit gehen! Gute Arbeitsbedingungen schaffen, statt auf Hierarchien und Überstunden zu pochen und dies dann als Eigenmotivation und Loyalität zu interpretieren. Mehrwert und Sinn bieten! Mitarbeiter zu gewinnen ist inzwischen fast schon schwieriger, als Kunden zu generieren. Und wen wundert es, wenn man bedenkt, wie wenig Wertschätzung in vielen Unternehmen an der Tagesordnung ist. Da wird gemeckert, statt gelobt. Erwartet statt zurückgegeben. Und kreative Freiheit für die Selbstentwicklung? Überflüssiger Neuzeit-Quatsch! Sorry, wenn es unbequem ist, der Wahrheit ins Auge zu blicken – aber alljene, die heute jammern, haben genau diesen verstaubten Denkansatz. 

Wer Versprechen nicht halten kann, hat verloren

Meine Yacht. Mein Ferrari. Mein Haus. Protzen und damit aufzeigen: Wer bei uns arbeitet, kriegt all das auch. Ach wirklich? Kommt schon, das kauft dir heute kein Schwein mehr ab. Außerdem ziehen Statussymbole bei der jungen Generation längst nicht mehr. Jeder zweite junge Städter besitzt nichtmal mehr ein Auto. Erlebnisse und Work-Life-Balance sind die Punkte, die in den Fokus gerückt sind. „Zeit gegen Geld eintauschen? Nicht mit mir!“ denkt sich ein junger Mensch mit kritischer Weitsicht. Werte sind andere geworden. Sinn und Zweck im Handeln ist es, was Sehnsüchte auslöst. Mitspracherecht, kreative Freiheit und die Möglichkeit, moderne Arbeitsmittel zu verwenden. Wir verbringen einen Großteil unserer Zeit an unserer Arbeitsstelle. Und gerade deshalb ist es so wichtig, dass sich alle Mitarbeiter dort wohlfühlen. Dass sie Teil der Familie sind – dabei geschätzt und auch individuell gefördert werden. Was ist es also, das ich meinen Mitarbeitern bieten kann – außer Geld? Dies gilt es zu ergründen!

Gebt den Newcomern ein Warum – und sie werden neugierig!

Ein bisschen mehr Vertrauen, weniger Kontrolle und ehrliche authentische Gründe, WARUM Ihr Mitarbeiter sucht – und WAS Ihr für sie zu bieten habt. Und das dann auch in der Unternehmensphilosophie leben. Nicht bei jeder vermeintlich verrückten Idee gleich abwinken, sondern sich Zeit nehmen, die Gedanken anzuhören und Ernst zu nehmen. Freiräume schaffen. Weniger ist mehr (und damit ist nicht das Geld gemeint!). Frag Dich doch einfach mal, warum Du in deiner eigenen Firma eigentlich anfangen würdest? Was ist es, das Dich von all den anderen Fachkräfte-Suchenden unterscheidet? Heutzutage gilt das „Augen zu und durch“-Prinzip nicht mehr. Mitarbeiter gehen dort hin, wo sie sich wohl fühlen, sie selbst sein können und geschätzt werden. Und wenn Kollege xy bereits zum 100. Mal denselben Fehler gemacht hat, dann nicht gleich ausflippen, sondern klug vorgehen. Nicht alle Talente sind gleichermaßen ausgeprägt. Auch wenn uns die Schule alle dasselbe lehren will. Individuelle Talente müssen erkannt und gestärkt werden. Dann kann man sie auch gezielt einsetzen.

Tipp am Rande: Charmant, mit einer gesunden Portion Selbstironie und modernem Auftreten

Wer hat eigentlich definiert, dass sämtliche Stellenanzeigen denselben formellen Aufbau haben müssen? Niemand. Gerade heutzutage sollte man schon ein bisschen mehr tun, um in der Masse herauszustechen. Also weg mit den zusammengeschobenen Word-Dokumenten, verpixelten Fotos, Aufzählungszeichen und dem üblichen Blabla – und ein bisschen mehr Story Bitteschön! Wieso nicht mal einen lustigen Videoaufruf starten? Oder die Unternehmensschwächen anstelle der anbiedernden Stärken hervorheben? Schließlich hat es ja einen Grund, warum Ihr Hilfe sucht, oder? Das geht doch nicht? Warum nicht? Oder spielt mit Klischees eurer Branche und nehmt sie auf die Schippe! Manchmal braucht es gar nicht viel, um aufzufallen. Einfach anders sein reicht schon. Wenn Du genug Zeit hast zu jammern, dann hast Du auch genug Zeit, etwas dagegen zu tun!

Veröffentlicht: 07.12.2018
Autorin: Nadine Zwingel – unsere Expertin für Text.Idee.Konzeption